Wie das BAMF Verfahrensrechte von Flüchtlingen unterläuft

Dem Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (“Bamf”), Frank-J. Weise, eilt der Ruf einer Allzweckwaffe voraus, wenn es gilt, eine Behörde auf Trab zu bringen. Das sogenannte “Asylpaket 2”, seit März in Kraft, soll Asylverfahren beschleunigen. Dass dabei auch elementare rechtsstaatliche Grundsätze missachtet werden, zeigt ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 27. Juli 2016 8 (Az. 4 L 391 / 16.A).

Im Falle erhielt ein bei Dresden wohnender Asylbewerber am Nachmittag des 28. April den Brief des Bamf, mit dem er für den nächsten Tag zur Anhörung geladen wurde – und zwar für früh um 8.30 in Chemnitz. Da er seinen Briefkasten erst am nächsten Morgen überprüfte, war das Gespräch verpasst. Seine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin informierte das Bundesamt noch am 29.4. per Fax und bat um einen neuen Termin. Vier Wochen später erhielt der Flüchtling die Ablehnung seines Asylantrags, verbunden mit der Aufforderung, binnen einer Woche auszureisen. Begründung: Er habe sein Asylverfahren “ohne genügende Entschuldigung” nicht betrieben. Der Asylbewerber zog vor Gericht. Da er den Antrag auf Wiederaufnahme seines Asylverfahrens seit März nur noch beim Bamf persönlich stellen kann, ging er zudem mit seiner Flüchtlingshelferin zur Außenstelle Dresden. Allerdings verwehrte ihm dort der private Sicherheitsdienst den Zutritt. Auch die Erklärungen seiner Begleiterin und die telefonische Intervention eines Rechtsanwalts stimmten die Wachleute nicht um.

Am 27. Juli ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung an, nachdem das Bamf zweimal richterliche Fristen zur Stellungnahme hatte verstreichen lassen. Zwar bestehe eigentlich kein Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz, so der Richter. Denn der Wiederaufnahmeantrag heile “einmaliges Fehlverhalten”, ihm sei in der Regel stattzugeben. Hier aber mache die eidesstattliche Versicherung der Flüchtlingshelferin glaubhaft, dass dem Flüchtling “bei seinem Versuch der Vorsprache verwehrt worden ist, den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen.” Daher kommt es darauf an, ob der Flüchtling sein Asylverfahren tatsächlich wie vom Bamf behauptet “ohne genügende Entschuldigung” nicht betrieben habe. Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag statt, denn “die Ladung erfolgte derart kurzfristig, dass es einer nicht der deutschen Sprache mächtigen Person nicht möglich gewesen sein konnte, eine Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Chemnitz nebst einer Fahrtkostenerstattung zu organisieren. Auch wenn sich der Asylbewerber vornehmlich um sein Asylverfahren kümmern soll, sollten ihm doch mindestens 24 Stunden zur Verfügung stehen, damit er sich gegenenfalls an ehrenamtliche Helfer oder Sozialarbeiter wenden und sich Hilfe bei der Organisation der Reise holen kann.”

In Zeiten der “Flüchtlingskrise”, in der weit über Pegida und AfD hinaus Einigkeit über eine schnelle Abschiebung der Flüchtlinge zu bestehen scheint, illustriert der Fall, wie deren Verfahrensrechte im Zusammenspiel zwischen den Gesetzgeber und einer überforderten Behörde unter die Räder kommen. Die Große Koalition hat dem Bamf im “Asylpaket II” erlaubt, einen Asylantrag bei Versäumnis der Anhörung ohne weiteres abzulehnen. Dabei ist das Bundesamt seit anderthalb Jahren nicht in der Lage, allen Flüchtlingen eine Anhörung zu ermöglichen. Versäumt aber ein Asylbewerber eine Frist, dann setzt es seine bürokratische Maschinerie unerbittlich in Gang, um die eigene Erledigungsstatistik in die Höhe zu treiben. Werden Termine etwa absichtlich so eng gesetzt? Geht es um die Rechte von Flüchtlingen, spielt das Bamf “Toter Mann”: Wie in einer Kafkaschen Novelle schottet sich das Behörden-Schloss gegen alle Kommunikations- und Zutrittsversuche ab. Entweder hatten die Wachleute in Dresden Weisung, keine Asylbewerber ins Haus zu lassen, oder sie erlaubten sich einen üblen rassistischen “Scherz” – in jedem Fall rechtswidrig.

Flüchtlinge, bei denen es oft um Leben oder Tod geht, sind in diesem Dschungel ausgelegter Fallstricke dem Asylsystem hilflos ausgeliefert. Nur wenn ihnen ehrenamtliche Helfer beistehen, die wahren Helden in der “Flüchtlingskrise”, haben sie eine Chance. Das Verwaltungsgericht Dresden hat hier dem Rechtsstaat, wie es seine Aufgabe ist, doch noch zum Durchbruch verholfen. Gut so! Offenbar hält es aber die knappe Frist von 24 Stunden zwischen Ladung und Anhörung für angemessen. Man stelle sich das berechtigte Wutgeschrei eines deutschen Staatsbürgers vor, der bei Strafe der Abweisung seine Belange seine lebenswichtige Angelegenheit von einem Tag auf den anderen in einer anderen Stadt vortragen müsste.

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