Einseitige Parteinahme der Landesdirektion gegen kommunales Wildtierverbot

Anmerkungen zur Entscheidung des OVG Lüneburg und dem Vorgehen der Landesdirektion

(Zum Wildtierverbot siehe auch meinen früheren Beitrag)

Wer sich allein der öffentlichen Berichterstattung aussetzt, der muss die Überzeugung gewinnen, das kommunale Wildtierverbot stehe vor dem Aus! Die Landesdirektion Sachsen, die Aufsichtsbehörde der Staatsregierung aus CDU und SPD, hat am 21. Juli den entsprechenden Beschluss des Chemnitzer Stadtrats aufgehoben. Also ein Sieg der Zirkusbetreiber auf der ganzen Linie? Die Landesdirektion stützt sich auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, die aber keineswegs die Teilentwidmung öffentlicher Flächen für Zirkusse mit gefährlichen Wildtieren ausschließt.1

1. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit?

Die Landesdirektion hält eine Teilentwidmung für einen rechtswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Zirkusbetreiber. Zwar dürfte es sich bei dem Betrieb eines Zirkus` um einen “Beruf” im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes handeln, weil die Zirkusbetreiber ihren Lebensunterhalt mit den Vorstellungen verdienen. Man sollte aber genauer hinsehen: Es gibt zwar den Beruf des Zirkusschaustellers, nicht aber den “Beruf”, Wildtierschauen auf kommunalen Plätzen zu zeigen. Allerdings kommt ein sogenannte mittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit in Betracht, wenn man eine “objektiv berufsregelnde Tendenz” eines kommunalen Wildtierverbots bejaht. Denn die Teilentwidmung kommunaler Plätze wirkt durchaus darauf hin, dass Zirkusbetreiber ihre Show ohne Wildtiere anbieten. Jedenfalls handelte es sich um keinen schwerwiegenden Eingriff, denn der Zirkusbetrieb ohne Wildtiere sowie mit Wildtieren auf anderen Plätzen bleibt unberührt.

Ein Eingriff müsste aus überwiegenden Allgemeinwohlgründen und aufgrund eines Gesetzes gerechtfertigt sein. Hier kommt die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz in Betracht. Da diese nur im Rahmen der Gesetze gilt, kommt es darauf an, ob das Tierschutzgesetz eine Teilentwidmung kommunaler Flächen für Zirkusse mit Wildtieren zulässt. Das OVG Lüneburg meint: Nein! – Denn die Regelungen des Tierschutzgesetzes seien

abschließend und lassen keinen Raum, aus tierschutzrechtlichen Gründen auch nur teilweise, dh. bezogen auf kommunale Einrichtungen, unabhängig von den bundesrechtlichen Normen und unterhalb der darin bezeichneten “Eingriffsschwelle” ein generelles Verbot des Mitsichführens von (Wild) Tieren durch Zirkusunternehmen auszusprechen.

Man kann das mit dem Verwaltungsgericht München auch anders sehen. Das hatte 2014 entschieden, die Gemeinden dürften frei entscheiden, welche Einrichtungen sie schaffen, wie sie sie widmen und wie sie die Benutzung ausgestalten wollen. Daher sei auch “die nachträgliche Änderung der Widmung, insbesondere die Einschränkung einer früher großzügigeren Verwaltungsübung, grundsätzlich zulässig.”

2. Zulässigkeit eines Verbots zur Gefahrenabwehr

Die öffentliche Sicherheit, hier der Schutz vor Gefahren der Wildtiere, ist jedenfalls ein zulässiger Allgemeinwohlzweck zur Einschränkung der Berufsfreiheit. So betont das OVG Lüneburg:

Zur Klarstellung wird darauf verwiesen, das von der vorbezeichneten Sperrwirkung gefahrenabwehrrechtliche einschließlich bauordnungsrechtlicher Gründe für ein Verbot des Mitsichführens von Wildtieren ebensowenig mit umfasst sind wie ein Einschreiten aus tierschutzrechtlichen Gründen im Einzelfall, die nicht vom Regelungsgehalt der Genehmigung nach § 11 I 1 Nr.8d TierschutzG eingeschlossen sind“.

Dies ist folgerichtig, denn das Tierschutzgesetz dient nach seinem § 1 allein dem Zweck “aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen”. Es dient also nicht dem Schutz von Menschen gegen Gefahren, die von den Tieren ausgehen.

3. Die Einseitigkeit der Landesdirektion

Die Landesdirektion ignoriert, dass kommunale Wildtierverbote zum Schutz der Zirkusbesucher vor Gefahren zulässig sind.2 Diese Gefahren sind durchaus real, wie Jahr für Jahr zahlreiche Ausbrüche von Zirkustieren zeigen.3 Stattdessen stürzt sich die Landesdirektion allein auf den vom OVG Lüneburg unterstellten Eingriff in die Berufsfreiheit. Eigentlich hat die Landesdirektion die Kommunalaufsicht “so auszuüben”, dass die “Entschlusskraft und Verantwortungsbereitschaft” der Gemeinden “gefördert werden”, wie die Gemeindeordnung in § 111 Abs.3 ausführt. Dazu gehörte auch, den Gemeinden ihre Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das aber widerspricht der zentralistischen Verwaltungsmentalität im Freistaat Sachsen. Offensichtlich ist es der rührigen und mächtigen Zirkuslobby gelungen, das Land für ihre Interessen einzuspannen.

1OVG Lüneburg, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2017, S.728f.

2Ebenso Christoph Maisack, Ergänzung der Stellungnahme “Zirkusse mit Wildtieren in kommunalen öffentlichen Einrichtungen, Stand 17.3.2017, Die Landesbeauftragte für Tierschutz Baden-Württemberg, S.13f. Marco Penz, Anmerkung zu OVG Lüneburg, NVwZ 2017, S.730f.

3Rolf Kemper, Ausschluss von Wildtierzirkussen von der Nutzung kommunaler öffentlicher Flächen durch Teilentwidmung, Gutachten im Auftrag der Hessischen Landesbeauftragten für Tierschutz, 2010, S.6ff.

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