Neufasssung der Bürgerbeteiligungssatzung in der Beratung des Stadtrats

Am 24. Oktober 2018 haben die Fraktionen von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEn eine neue Fassung der Anfang Mai eingereichten Bürgerbeteiligungssatzung vorgelegt. Die Fraktionen hatten mit OB Hilbert eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Fraktionen des Stadtrats und der Verwaltung vereinbart, die den Vorschlag bewerten und diskutieren sollte. Unter Leitung der GRÜNEn Stadträtin Kerstin Harzendorf tagte die Arbeitsgruppe im Oktober zweimal. Die SPD war durch Stadtrat Vincenz Drews, die Linke von Stadtrat Norbert Engemaier und die Grünen durch mich vertreten. Immerhin ließ sich in der ersten Sitzung auch der AfD-Stadtrat Gilke sehen. Die Fraktionen der CDU und der FDP nahmen nicht teil. Daneben fanden mehrere Verhandlungsrunden zwischen der beteiligten Juristin und den Juristen statt. Am 22. Oktober verständigte sich die große Runde darauf, die Neufassung in den Geschäftsgang des Stadtrats zu geben und einen neuen Umlauf in den Stadtbezirksbeiräten und Ortsbeiräten zu starten. Im Januar 2019 soll der Stadtrat die Bürgerbeteiligungssatzung endgültig beschließen.

1. Beteiligungsverfahren im Zuständigkeitsbereich des OB

Die Arbeitsgruppe hat sich darauf verständigt, dass der Stadtrat den OB für seinen Zuständigkeitsbereich nicht zur Durchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren verpflichten sollte. Allerdings ist es schon ständige Praxis, dass der OB mit seiner Verwaltung Beteiligungsverfahren durchführt. § 3 Abs. 3 der Satzung “empfiehlt” dem OB daher nur die Anwendung der Satzung, insbesondere auch für Aufgaben der laufenden Verwaltung und Pflichtaufgaben ohne Weisung. Der OB soll eine Dienstanweisung erlassen, in der er selbst regelt, wann er beabsichtigt, Bürgerbeteiligungsverfahren durchzuführen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nämlich voraussehen können, in welchen Fällen der OB für ein Beteiligungsverfahren entscheiden wird.

2. Zwischenverfahren des OB

Die wesentliche Änderung besteht in der Einführung eines Zwischenverfahrens beim OB: Der erste Entwurf sah vor, dass die Bürgerinnen und Bürger mit der Einreichung der erforderlichen Anzahl von Unterschriften einen Anspruch auf Durchführung eines Informations- oder Empfehlungsverfahren erwerben. Nun soll der OB nach eigenem Ermessen entscheiden, ob er eine Einwohnerversammlung ansetzen will, wenn ihm die von der Satzung vorgeschriebene Anzahl der Unterschriften vorgelegt wird. Entscheidet sich der OB gegen ein Beteiligungsverfahren, legt er diese Frage innerhalb eines Monats ab Antragseingang dem Stadtrat zur Entscheidung vor (§ 5 Abs.1).

3. Quoren

Die Verwaltung hat eine neue Staffelung der erforderlichen Unterschriften erarbeitet, die die sehr unterschiedliche Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner einer Ortschaft berücksichtigt. Für eine Informationsversammlung oder ein Bürgerforum in gesamtstädtischen Angelegenheiten sind 2500 Unterschriften und für Angelegenheiten eines Stadtbezirks 500 Unterschriften vorzulegen. Einwohnerinnen und Einwohner einer Ortschaft mit mehr als 3000 Einwohner müssen 250 und in Ortschaften unter 300 Einwohnern 100 Unterschriften beibringen.

4. Gemeinsame Dispositionsbefugnis der Vertrauensperson und des OB

Die unterschreibenden Bürgerinnen und Bürger sollen von einer handlungsbevollmächtigten Vertrauensperson und dessen Stellvertreter gegenüber der Verwaltung vertreten werden. Die wichtigste Befugnis der Vertrauensperson ist jetzt in § 8 Abs.2 Satz 2 geregelt: Sie kann nach Vorlegung der Unterschriften auf in dieser Satzung geregelte Verfahrenselemente verzichten oder im Einvernehmen mit dem OB abweichend ausgestalten. Die Beteiligungssatzung regelt daher einen Mindeststandard zum Schutz der Einwohnerinnen und Einwohner, die die Unterschriften vorlegen. Daher sind Vertrauenspersonen und OB frei, andere Elemente von Beteiligungsverfahren zu vereinbaren.

5. Informationsversammlung

Stadtrat, ein Stadtbezirksbeirat oder ein Ortschaftsrat können in Angelegenheiten, für die sie zuständig sind, auch nach eigenem Ermessen eine Informationsversammlung beschließen. Nachdem die Entscheidung für eine Informationsversammlung gefallen ist, hat der OB “innerhalb von vier Wochen eine allgemeinverständliche Zusammenfassung des Planungsstandes in geeigneter Form” zu erarbeiten, er “stellt sie der Vertrauensperson zu und veröffentlicht diese” (§ 5 Abs.2). Unverzüglich danach der OB führt eine Informationsversammlung durch, in der er “den Verfahrensstand vorstellt, auf Nachfragen erläutert und zur Diskussion stellt”. Nimmt er nicht selbst teil, soll er sich durch einen Bürgermeister oder Amtsleiter vertreten lassen (§ 8 Abs.3). Vorschläge und Anregungen aus der Informationsversammlung sind innerhalb von drei Monaten von OB, Stadtrat, Stadtbezirksbeirat oder Ortschaftsrats zu behandeln (§ 8 Abs.4).

6. Bürgerforum und Empfehlungsverfahren

Die §§ 8ff. regeln Bürgerempfehlungsverfahren. Empfehlungen sind über Vorschläge und Anregungen hinaus bestimmte Entscheidungsvorschläge der Bürgerinnen und Bürger in einer bestimmten Angelegenheit, die im Wege eines bestimmten Entscheidungsverfahrens erarbeitet wurden. Auch Bürgerempfehlungsverfahren können entweder durch die Vorlage einer bestimmten Anzahl von Unterschriften oder durch Entscheidung des Stadtrats, des OB, eines Stadtbezirksbeirats oder Ortschaftsrats eingeleitet werden (§ 9).

Das wichtigste Empfehlungsverfahren ist das “Bürgerforum”, das dem gleichberechtigten Meinungsaustausch dient und in einer bestimmten Empfehlung münden soll (§ 10 Abs.1). Das Bürgerforum wird nach dem Verfahren des § 5 eingeleitet. Alle anwesenden Bürgerinnen und Bürger können eine bestimmte Empfehlung beantragen und darüber abstimmen (Handaufheben oder Stimmkarte, § 10 Abs.6ff.). § 11 regelt die Empfehlungsverfahren der Bürgerwerkstatt und der Mediation, § 13 das Bürgerhaushaltsverfahren, sowie jeweils die dafür erforderlichen Unterstützungsunterschriften.

7. Rechtswirkungen einer Bürgerforums oder Bürgerempfehlung

Ab Beschluss zur Durchführung eines Bürgerforums darf der zuständige Rat längstens für die nächsten 10 Wochen keine abschließende Entscheidung zu der Angelegenheit treffen. Denn die Beschlussfassung über eine Bürgerempfehlung, für die das Unterschriftenquorum erreicht ist, soll nicht durch eines Ratsentscheidung überholt werden. Da eine Bürgerwerkstatt oder Mediation längere Zeit in Anspruch nehmen, gilt die Entscheidungssperre hier ab Vorlage eine Empfehlung (§ 12 Abs.2). Ausnahmen gelten für dringliche Entscheidungen (§ 12 Abs.3).

Der OB hat Bürgerempfehlungen dem Stadtrat, dem Stadtbezirksbeirat oder dem Ortschaftsrat “alsbald”, also in der nächsten oder übernächsten regelmäßigen Sitzung, zur Behandlung vorzulegen. Ein Vertreter der Empfehlung erhält zur Begründung mindestens 10 Minuten Rederecht. Der Rat hat die Empfehlung zu erwägen, muss ihr aber nicht folgen. Abweichungen sind zu begründen.

8. Jugend- und Kinderbeteiligungsverfahren, Koordinierungsstelle für Bürgerbeteiligung

Beteiligungsverfahren können auch für Jugendliche zwischen 14 und 18 mit anderen Quoren durchgeführt werden, allerdings ohne Sperrwirkung, da Jugendliche noch nicht wahlberechtigt sind. In Anlehnung an die Satzung können OB und Räte auch Kinderbeteiligungsverfahren durchführen. Das vom Stadtrat verabschiedete Rahmenkonzept zur Beteiligung soll berücksichtigt werden (§ 14) und die Kinder- und Jugendbeauftragte beteiligt werden. Der OB soll eine Koordinierungsstelle für Bürgerbeteiligung einrichten, entweder innerhalb der Verwaltung oder durch jeweilige Beauftragung eines externen Büros. Er hat jedenfalls zu gewährleisten, dass die Personen fachlichen Beteiligungsfragen unabhängig handeln können (§ 15).

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