Die Stadtbahn 2020 am TU-Campus: Vier Spuren für Autos oder besserer Radverkehr?

Am 1. Februar 2019 haben die Fraktionen von CDU und FDP einen Antrag in den Geschäftsgang des Stadtrats eingereicht, mit dem sie eine vierspurige Autotrasse durch den TU-Campus am Zelleschen Weg durchsetzen wollen. Auch mit diesem Antrag soll eine Entscheidung von Rot-Grün-Rot zugunsten einer irrationalen Autovorrangpolitik rückgängig gemacht werden – wie schon mit den Anträgen zur weiteren Öffnung der Augustusbrücke für den privaten Autoverkehr oder zur Verhinderung eines Radstreifens auf der Albertstraße. Die Unterstützung der Böslgruppe (“Bürgerfraktion“) und der AfD können sie dabei voraussetzen. Voraussichtlich wird der Antrag am 11. April abschließend im Stadtrat entschieden.

1. Die Universitätslinie der Straßenbahn zwischen Löbtau und Strehlen

Die Dresdener Verkehrsbetriebe und die Stadt planen seit Jahren an den Projekten der “Stadtbahn 2020”. Das wichtigste Teilprojekt (TP)) ist der Neubau einer Straßenbahn zwischen der Zentralhaltestelle Kesselsdorfer Straße und dem Haltepunkt Strehlen. Die “Unilinie” ist das wichtigste Ausbauprojekt des Dresdener ÖPNVs, weil sie einen erheblichen Fahrgastzuwachs verspricht. Sie verbindet Löbtau und Strehlen mit der Universität und soll die regelmäßig überfüllten Busse ersetzen. Die Strecke führt über die Nossenener Brücke, quert die Chemnitzer Straße, verläuft nach der Nürnbergerstraße und den Fritz-Förster-Platz durch den TU-Campus am Zelleschen Weg und folgt dann über die Caspar-David-Friedrich-Straße zum Wasaplatz und zur Oskarstraße zum Haltepunkt Strehlen.

2. Die Vierspurvariante

2015 hat die Verwaltung dem Stadtrat eine Vorplanung zur Entscheidung vorgelegt. Die neue Straßenbahn soll in einem eigenen Bahnkörper in Mittellage (Rasengleis) mit einer Breite von 6,65 m für die neuen Stadtbahnwagen geführt werden. Daran schließen sich Seitenstreifen von je 3 m für eine Baumallee mit großkronigen Bäumen an. Die Stadtverwaltung sah an der Südseite einen 1.85 m breiten Radweg und an der Nordseite zwischen Fritz-Förster-Straße bis Ackermannstraße einen Radweg von 3m (einschließlich insgesamt 1 m Sicherheitszuschläge) mit Freigabe in beide Richtungen vor. Die Gehwege sollten eine “Regelbreite” von 3,50 m erhalten. Die Schneise dieser Vierspurvariante zwischen Bordstein und Bordstein (also ohne Gehwege) beträgt damit 30,50 m (sog. Variante “Z2 optimiert”). Die Wallanlage mit den Linden vor der SLUB soll beseitigt werden.

3. Die überbreite Variante

Die Verwaltung hatte den Gremien auch eine Variante “Z2a optimiert” vorgelegt, mit der die Linden auf der Wallanlage erhalten werden. Sie plant nur je eine überbreite Richtungsfahrbahnen für den Autoverkehr von je 5,50 m anstelle von je zwei Richtungsfahrbahnen je 3,50 m. Obwohl diese Variante dem MIV insgesamt 2 m weniger Raum (Breite gesamt ohne Gehwege 28,50m) zur Verfügung stellt, können auf dem überbreiten Streifen immer noch 2 PKW nebeneinander fahren. Sie ist genauso leistungsfähig wie die Vierspurvariante, denn die Zufahrten an den Kreuzungen bleiben zweistreifig. Hier gilt der Satz, den viele bis heute nicht verstanden haben: Die Leistungsfähigkeit eines Verkehrszugs hängt nicht von der Breite der Fahrspuren, sondern der Durchlassfähigkeit seiner Knotenpunkte (KP) ab. Da der Antrag von Schwarz-Gelb dies bestreitet, zitiere ich aus der Verwaltungsvorlage von 2015:

“Im Bereich der für die Leistungsfähigkeit maßgebenden KP stehen dem MIV auch in dieser Variante durchgehende zweistreifige Fahrstreifen zur Verfügung. Die Verflechtungsstrecken in den KP-Ausfahrten orientieren sich an den vorhandenen und prognostizierten Verkehrsstärken. … Im Rahmen einer für das gesamte TP durchgeführten Verkehrssimulation wurde die Leistungsfähigkeit der Variante nachgewiesen.”

4. Die Stadtratsentscheidung vom Januar 2016

Die damalige Stadtratsmehrheit von Rot-Grün-Rot hat die Variante “Z2a_optimiert” gerne aufgegriffen und die Verwaltung mit Stadtratsbeschluss vom 21. Januar 2016 beauftragt, mit dieser weiter zu planen. Zugleich hat sie Anregungen und Beschwerden aus dem Bereich der Universität und des ADFC über die mangelnde Funktionsfähigkeit und Verkehrssicherheit der Radanlagen aufgegriffen und beschlossen:

“Zwischen der Ackermannstraße und dem Fritz-Förster-Platz wird zudem der nördliche Einrichtungsradfahrstreifen mit einer Breite von 2,00 m statt 1,85 m und auf der südlichen Seite der Zweirichtungsradweg mit einer Breite von 2,50 m statt 2,00 m (zzgl. Sicherheitszuschlag) geplant. Es ist zu prüfen, wie die Verkehrssicherheit am Fritz-Förster-Platz für Fußgänger und Radfahrer erhöht werden kann. Hierzu ist insbesondere zu untersuchen, ob die Wege von Fußgängern und Radfahrern stärker entflochten werden können.”

Rot-Grün-Rot hat also von den dem Autoverkehr abgewonnenen 2 m Raum 65 cm den Radverkehrsanlagen auf beiden Seiten zugeschlagen. In der Abwägung ging es uns darum, die Zerschneidungswirkung möglichst gering zu halten. Die Wallanlage mit den schönen großen Linden kann erhalten werden. Zudem war es für uns gerade im Uni-Campus wichtiger, für den Radverkehr bessere Bedingungen zu schaffen, als den irrationalen Behinderungsgefühlen von Autofahrern nachzugeben. Die schmalere Variante verursacht weniger Eingriffe in den Seitenraum, eine geringere Flächenversiegelung und erlaubt zudem Kosteneinsparungen im Millionenbereich.

5. Auflösung der Lenkungsgruppe?

In Dresden dauert die Planung und Genehmigung von großen Verkehrsanlagen viel zu lange. Verantwortlich ist nicht Geldmangel, sondern mangelnde Prioritätensetzung im Straßen- und Tiefbauamt und fehlendes Personal. Verantwortlich ist vor allem aber ein Freistaat Sachsen, der mittlerweile zwei bis drei Jahre zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens braucht! Und selbst dann ist er nicht zur sorgfältiger Arbeit in der Lage, wie das Desaster um die Verfahrensfehler bei der Oskarstraße zeigt, das zu einem einjährigen Baustopp und erheblichen Mehrkosten geführt hat. Auch das Stadtbahnprojekt am Zelleschen Weg ist innerhalb der Stadtverwaltung immer wieder verzögert worden.

In wichtigen Fällen ist in Dresden die Einsetzung einer sogenannten “Lenkungsgruppe” durch den Stadtrat üblich. Es handelt sich dabei um ein informelles Gremium zwischen Vertretern der Stadtratsfraktionen und der verschiedenen Abteilungen der Verwaltung. Die Verwaltung kann in einer Lenkungsgruppe Nachfragen der Stadträtinnen und Stadträte schnell und fachkompetent beantworten. Lösungsansätze können unverbindlich diskutiert und die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungszweigen intensiviert werden. Dieses Vorgehen hat sich etwa 2015 / 2016 bei der Königsbrücker Straße sehr bewährt.

Der schwarz-gelbe Antrag möchte nun die Lenkungsgruppe, die Ende Januar 2019 erstmal getagt hatte, nun wieder abschaffen. Dies schaffe “wieder eine eindeutige und demokratisch legitimierte Zuständigkeit und vereinfacht und verschlankt die Stadtratsarbeit deutlich.” Dies ist natürlich Unsinn, denn die Entscheidungszuständigkeit des Bauausschusses und des Stadtrates wird durch die Lenkungsgruppe selbstverständlich nicht angetastet. Zu dem besteht in der übervollen Tagesordnung des Bauausschusses auch nicht annähernd die Chance, sich ausführlich mit dem Projekt zu befassen. So hat sich denn auch DVB-Chef Hemmersbach gegen eine Auflösung der Lenkungsgruppe ausgesprochen.

Die Botschaft von Schwarz-Gelb lautet vielmehr: “Wir halten die Stadtbahn für nicht so wichtig und wollen uns damit lieber nicht befassen.” In diesem Ungeist ist ja auch der Vierspur-Antrag vom 1. 2. 2019 verfasst.

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