Städtischer Wohnungsbau auf tönernen Füßen

Die rot-grün-rot-orangene Kooperation im Dresdner Stadtrat will seit 2014 eine neue städtische Wohnungsbaugesellschaft gründen. Sie hat nun vereinbart, bis 2019 2500 Sozialwohnungen auf KdU-Niveau von 6,60 € / qm und bis 2019 weitere 5.500 Wohnungen zu errichten. Seit Mitte Mai 2016 liegt ein Gutachten der Beratungsgesellschaften Luther sowie Ernst & Young fü die Stadtverwaltung vor.1 Danach erscheint die Vereinbarung der Kooperation nicht ohne jährliche Zuschüsse zwischen 20 und 30 Mio € zu verwirklichen.

1. Was kosten eigentlich 8000 Sozialwohnungen?

Das Luther-Gutachten setzt 2000 € je qm Baukosten an (ohne Grundstückskosten). Eine 65 qm-Wohnung kostete damit 130.000 €.2 8000 Wohnungen summieren sich dann auf schlappe 1,04 Mrd €! Dagegen nennen Modellrechnungen, die in der Kooperation kursieren, Baukosten von 1800 € je qm für eine 60 qm-Wohnung. Für 8000 Wohnungen wären dann “nur” 864 Mio € aufzubringen. Leider erscheinen die Annahmen zu den Baukosten sehr optimistisch; gewerbliche Wohnbauunternehmen gehen von 2300 € je qm aus.

2. Keine laufenden Zuschüsse

Die Kooperationsvereinbarung II von RGRODD legt fest, “dass keine Zuschüsse aus dem Haushalt für den laufenden Betrieb der Gesellschaft notwendig sein werden.” Die Wohnungen müssen daher so günstig errichtet werden, dass Mieteinnahmen auf KdU-Niveau dauerhaft die Abzahlung der Bankkredite, Instandhaltung und Abschreibungen decken. Andernfalls hält das Luther-Gutachten städtische Zuschüsse von 1 € je qm und Jahr für erforderlich. Für 8000 Wohnungen wären dann jährlich 520.000 € zuzuschießen!

3. Wie hoch fremdfinanzieren?

Das neue Wohnbauunternehmen der Stadt wird bei den Banken Kredite aufnehmen – was sich angesichts der historisch niedrigen Zinsen auch anbietet. Dennoch wird die Wohnbaugesellschaft einen gewissen Anteil an Eigenkapital aufbringen müssen. Auch hier schwanken die Angaben erheblich zwischen 10 und 30%. Je nach den anzunehmenden Baukosten würde das erforderliche Eigenkapital zwischen 86,4 Mio € und 334 Mio € liegen. Ab 2017 bis 2025 ergibt sich so ein jährlicher Eigenkapitalbedarf zwischen 9,6 Mio € und 37 Mio €. Bei einer mittleren Eigenkapitalquote von 20%, müsste die Stadt also bis 2025 die gewaltige Summe von mindestens 172,8 Mio und höchstens 255 Mio € investieren.

4. Wie lange tilgen?

Je niedriger die jährliche Tilgungsrate und je länger die Tilgungsfrist ist, desto günstigere Mieten lassen sich errechnen. Manche Modelle setzen daher 33 Jahre oder mehr an. Dagegen empfiehlt das Luther-Gutachten eine schnelle Tilgung in 20 Jahren mit einer entsprechend hohen Tilgungsrate von 5% – weil dann die ersten umfangreichen Sanierungsmaßnahmen insbesondere bei der Gebäudetechnik anstünden.3 Längere Tilgungsfristen gewährleisten also zunächst niedrigere Mieten, bergen aber die Gefahr erheblicher Nachschüsse nach 20 bis 25 Jahren.

5. Wofür reicht das Geld eigentlich?

In der Kooperationsvereinbarung II findet sich zur städtischen Finanzierung des Eigenkapitals folgender schöner Satz: “Für die Investitionen in den städtischen Wohnungsbau … werden wir Liegenschaften im Wert von 50 Millionen Euro für die städtische Wohnungsbaugesellschaft zur Verfügung stellen sowie alle verfügbaren öffentlichen Fördermittel vollständig nutzen.” Zwar hat der Freistaat ein Förderprogramm angekündigt, doch wie es ausfällt kann noch nicht beurteilt werden. Mit der Einbringung städtischer Grundstücke im Wert von 50 Mio € und einer Eigenkapitalquote von 20% könnten Wohnungen im Wert von etwa 250 Mio € errichtet werden. Dies reicht bei Baukosten von 1800 € für knapp 1400 Wohungen, bei Baukosten von 2000 € für etwa 1.200 Wohnungen.

Übrigens I: Das Luther-Gutachten rechnet nach den Angaben der Stadt mit einer verfügbaren Fläche von 14 ha, auf denen 1000 Wohnungen errichtet werden könnten.4 Für 8000 Wohnungen stehen städtische Grundstücke aber offenbar nicht zur Verfügung.

Übrigens II: Die 668 Wohnungen der Stadt sind mit 14 Mio € belastet. Sollten sie tatsächlich wie geplant in die Gesellschaft eingebracht werden, müsste diese zur Abzahlung bestehender Kredite jährlich etwa 1 Mio € aufwenden.5

5. Und wie soll der “Rest” finanziert werden?

Weder die Errichtung von 2500 Wohnungen bis 2019, geschweige denn von insgesamt 8000 Wohnungen bis 2025 ist nach derzeitigen Kenntnistand gesichert. Wie soll eigentlich die Eigenkapitallücke zwischen 120 und 200 Mio € geschlossen werden? Dass jährlich 20 bis 30 Mio € aus dem städtischen Haushalt zugeschossen werden könnten, erscheint völlig unrealistisch – jedenfalls bei Aufrechterhaltung des in der Hauptsatzung festgelegten Verbots einer Kreditaufnahme im Kernhaushalt. Auch die städtischen Gesellschaften wie TWD und DREWAG können dafür nicht gerade stehen, denn das würde sie auszehren und die Zuschüsse zur DVB gefährden.

Entweder verkleinern Fördermittel des Landes oder weitere städtische Grundstücke die Eigenkapitallücke. Andernfalls sollte sich die Kooperation zwar nicht vom sozialen Wohnungsbau, wohl aber von ihren vollmundigen ungedeckten Versprechungen verabschieden.

1Luther-Rechtsanwaltsgesellschaft und Ernst & Young Beratungsgesellschaft, Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft, Gutachten im Auftrag der Landeshauptstadt Dresden vom 19. Mai 2016, veröffentlicht als Beschlusskontrolle zum Beschluss des Stadtrats A0072/15 – künftig zitiert als Luther-Gutachten.

2Luther-Gutachten S.13.

3Luther-Gutachten S.22.

4Luther-Gutachten S.7 und S.12.

5Luther-Gutachten S.12f.

twitter