Erklärung zu meinem Austritt aus der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Ich erkläre meinen Austritt aus der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Stadtrat Dresden.

I.

Seit vielen Jahren versuchen maßgebliche Kräfte in Partei und Fraktion, meine politischen Handlungsmöglichkeiten abzuschnüren, ja letztlich auszuschalten. Dies ist ihr demokratisches Recht, mein Recht ist es aber auch, daraus nun die Konsequenzen zu ziehen.

Die Partei hat mich sowohl 2014 als auch 2019 nur auf Listenplätze gewählt, die voraussichtlich nicht zur Wahl in den Stadtrat ausreichen würden. 2019 wollte man mir sogar den Wahlkampf in der Neustadt verbieten. Dennoch haben mich die Wählerinnen und Wählern dort mit sehr guten Ergebnissen in den Stadtrat gewählt. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar! Ich halte mich daher für demokratisch legitimiert, meine grünen politischen Ziele auch außerhalb der Grünen Fraktion weiter zu verfolgen.

Schon in der Wahlperiode 2014 bis 2019 haben maßgebliche Kräfte in Partei und Fraktion versucht, meinen Ruf in der Neustadt und als damaliger verkehrspolitischer Sprecher durch üble Nachrede zu unterminieren; natürlich motiviert durch eigene Karrierewünsche. Im Juli 2019 haben mich diese Kräfte als verkehrspolitischen Sprecher und Mitglied im Bau- und Verkehrsausschuss abgesägt – bevor überhaupt irgendeine inhaltliche politische Debatte innerhalb der Fraktion geführt werden konnte! Allein weil der Stadtrat die Ausschüsse vergrößerte, erhielt ich noch einen Sitz im Bauausschuss. Die Sitze im Finanz- und Verwaltungsausschuss übernahm ich nur auf Wunsch der Fraktion.

Seit 2019 hat die Fraktion meine ausführlichen schriftlichen Diskussionsvorlagen zur inhaltlichen und politischen Strategie nicht einmal behandeln wollen. Von den strategischen Debatten mit anderen Fraktionen hat man mich bewusst ferngehalten.

II.

Der Fraktion gelingt es nicht, ihre von den Wählerinnen und Wählern zugewiesene Führungsrolle als stärkste Fraktion im Stadtrat auszufüllen. Eigentlich müsste sie die politische Agenda der Stadtpolitik maßgeblich prägen, davon ist sie weit – weit – weit entfernt. Stattdessen treiben die politischen Mitbewerber Rechts und Links die Fraktion inhaltlich vor sich her. Ihr größter Erfolg, der gemeinsame Haushalt 2021 / 22 in der Corona-Krise, ist zuerst dem finanzpolitischen Sprecher Michael Schmelich zu verdanken.

Die Fraktionsführung hat die Handlungseinheit Mitte-Links zerfallen lassen. Insbesondere hat sie keine Antwort auf die Richtungsentscheidung der führenden Männer der Linksfraktion gefunden, in strategische Opposition zu den Grünen zu gehen und dafür die Zusammenarbeit mit dem nach rechts tendierenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion zu suchen. Die Fraktion liefert sich schulterzuckend der Achse Krüger – Schollbach aus, wie zuletzt bei den Parkgebühren. Das Verhältnis zur eigentlich zur Zusammenarbeit bereiten SPD-Fraktion hat man verlottern lassen.

Lieber beschäftigt sich die Fraktion mit identitätspolitischen und moralinsauren Debatten. Das politische Führungsproblem wird nicht erkannt, ein eigener Handlungsauftrag weder formuliert noch eine strategische Linie durchgehalten. Ich habe keinerlei Anhaltspunkte, dass sich dies angesichts der intellektuellen Grunddisposition der Fraktionsmehrheit in dieser Wahlperiode noch ändern könnte.

III.

Die Wahl von Agnes Scharnetzky zur Vorsitzenden markierte für mich noch einmal die Hoffnung auf einen politischen Neuanfang. Für mich wurde diese Hoffnung jäh und unerwartet mit der Entscheidung der Fraktion vom 2. März 2021 zerstört, mich nicht mehr in den Aufsichtsrat der SachsenEnergie zu entsenden.

Natürlich ist es das demokratische Recht der Fraktion, mich nicht zu wählen, gegen das es nichts zu erinnern gibt. Allerdings zeigt mir diese Entscheidung, dass die Fraktion weder meine Leistung in den letzten Jahren erkennt, geschweige denn würdigt. Nach meiner Wahrnehmung war es etwa ausschlaggebend mir zu verdanken, dass sich die Fraktion im November 2020 nach anfänglichem Widerstand zum Klimaziel “SachsenEnergie klimaneutral 2035” bekannte und dann auch im Stadtrat durchsetzte.

Bei der Aufsichtsratswahl ging es offensichtlich nicht um Kompetenz oder überhaupt um Politik, sondern um eine identitätspolitisch grundierte Fortsetzung der gezielten politischen Ausschaltung meiner Person. Dass die Fraktion sich in der wichtigsten politische Frage der Klimapolitik von derart sachfremden Erwägungen leiten lässt, zeigt mir, dass ich in dieser Fraktion keine Chance habe, meine grünen politischen Ziele zu verwirklichen.

IV.

Ich habe nach der Entscheidung vom 2. März mitgeteilt, dass ich mit meinem Austritt bis Anfang Mai warten würde, um zu sehen, ob die Fraktion die Entscheidung revidieren würde. An der Fraktionsarbeit habe ich mich nicht mehr beteiligt, aber gegenüber den Medien Stillschweigen bewahrt.

In den letzten zwei Monaten haben zahlreiche offene und respektvolle Gespräche stattgefunden. Für mich ist dabei deutlich geworden: ein maßgeblicher Teil der Fraktion begrüßt meinen Austritt und hält ihn für eine Chance für die Fraktion. Ein kleinerer Teil fürchtet den Verlust des Status als stärkste Fraktion und macht mir vage Versprechungen. Und einem weiteren Teil ist es schlicht egal.

In der Summe sind keine glaubhaften Absichten und Ansätze erkennbar, die Grundprobleme der Fraktion zu lösen. Es gibt keine politische Perspektive der grünen Fraktion, die mich überzeugen könnten, dem Gebot politischer Selbstachtung nicht zu folgen.

V.

Ich trete aber bewusst nicht aus der Partei Bündnis 90 / Die Grünen aus. Auch wenn ich in den letzten Jahren in Dresden und Sachsen eine bedenkliche Entwicklung erkenne, bleiben die Grünen meine politische Heimat. Von meiner Seite aus bin ich gerne bereit, mit einzelnen grünen Fraktionsmitgliedern, Stadtbezirksbeiräten sowie Mitgliedern zusammenzuarbeiten. Es liegt an ihnen, ob sie das Angebot annehmen wollen.

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