Schöne Worte – Schwache Ergebnisse, Anmerkungen zum Sachsenkenia – Sondierungspapier

I. Ausgangslage, Maßstäbe, Erwartungen

CDU, Grüne und SPD haben vor wenigen Tagen das Ergebnis ihrer Sondierungsgespräche zur Bildung einer Kenia-Koalition vorgelegt. Der Landesparteirat der Grünen hat der Landesversammlung am 12. Oktober die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfohlen – einstimmig! – wie stolz vermerkt wird. Ungeachtet der allgemeinen Begeisterung ist das Sondierungspapier vor dem Hintergrund des Wahlergebnisses, den Erfahrungen bisheriger Koalitionen mit der CDU und den Erwartungen der Öffentlichkeit an eine grüne Regierungsbeteiligung zu beurteilen.

1. Das Wahlergebnis vom 1. September

Nach dem Ergebnis der Landtagswahl erscheint eine Koalition der CDU mit Grünen und SPD als einzige Möglichkeit, eine schwarzblaue Regierung oder eine schwarze Minderheitsregierung mit Duldung der AfD zu verhindern. Medien und viele Wählerinnen und Wähler haben es Michael Kretschmer abgekauft, dass er Stabilität gegen die AfD garantieren würde. Dass er die borniert-konservative Politik seit Bikos Zeiten fortführt, hat ihm nicht geschadet. Immerhin hat er in der heißen Wahlkampfphase Versuche des blauen CDU-Flügels (“Werte-Union”) und seiner Lautsprecher Patzelt und Maaßen ablaufen lassen, die sächsische CDU gegen Sachsenkenia festzulegen, um Schwarzblau offenzuhalten.

Das katastrophal starke Wahlergebnis der AfD zeigt, dass ein Viertel der Bevölkerung in den Städten und eine knappe Hälfte im ländlichen Raum die offene demokratische Gesellschaft westlicher Prägung lieber gegen ein völkisch-autoritäres Spießerparadies eintauschen möchte. Diese Wähler gehören mental zum Ungarn Orbans oder zu Putins Russland. Außerhalb der Großstädte sind die r2g-Parteien marginalisiert, die sich wieder einmal als unfähig zur Zusammenarbeit erwiesen haben. Nichtrechte kulturelle Milieus werden noch stärker ausgegrenzt werden, was den Wegzug in die Großstädte beschleunigen wird. Außerhalb von Dresden, Leipzig und Chemnitz werden die örtlichen Gliederungen der CDU ihre Zusammenarbeit mit der AfD vertiefen und ausweiten. Dieser schwarzblaue Block innerhalb und außerhalb der CDU wird die maßgebliche Opposition gegen Sachsenkenia ausüben.

Die Grünen haben ihre Wählerstimmen zwar verdoppelt, ein klarer Erfolg. Trotzdem: Angesichts der Umfragen im Vorfeld, der Dringlichkeit der Klimakrise und der Unterminierung demokratischer Institutionen sind 8,6% zu wenig. Anders als die herrschende Lesart dürfte das nicht auf den Wechsel grüner und roter Wählerinnen und Wähler zur CDU in letzter Minute beruhen. Wer bewusst nicht für eine politische Alternative zu einer CDU-geführten Regierung kämpft und zudem jede Zuspitzung gegenüber der CDU vermeidet, kann nicht mehr erreichen. Als Lohn winkt jetzt zwar die ersehnte Regierungsbeteiligung, in die man aber schwächer als notwendig und erhofft geht.

2. Die CDU und ihre Koalitions-“Partner”

Bisher ist noch keine Partei aus einer Koalition mit der CDU gestärkt hervorgegangen, ganz im Gegenteil! Nachdem sich die SPD seit 2004 5 Jahre lang als verlässliche Regierungspartei darstellte, konnte sie 2009 ihr Ergebnis bei 10% kaum verbessern. Die CDU regierte mit der FDP weiter, die 2014 unter die 5% Hürde stürzte und auch 2019 nicht wieder in den Landtag einzog. Trotz der schlechten Erfahrungen stand die SPD der CDU 2014 wieder zur Verfügung, verlor 2019 etwa 40% ihrer Stimmen und ist jetzt mit 7,7% schwächer als die Grünen. Erinnert sich jemand an politische Erfolge der FDP oder SPD? Egal wer jeweils mit der CDU am Kabinettstisch sitzen durfte, jedenfalls wurde auch seit 2004 ungebrochen und verlässlich CDU-Politik gemacht.

Was sind die strukturellen Ursachen? Die Staatspartei CDU ist mental nicht koalitionsfähig. Andere Politikansätze nimmt sie als “unsachlich” und schädlich für die eigene Machtstellung wahr. Die “Sächsische Union” konnte 30 Jahre lang die Verwaltung auf sich einschwören. In deren schwarzgetriebenen Mühlen sind noch fast alle Zugeständnisse an einen kleinen Koalitionspartner zerrieben worden. Die CDU verhinderte stets die Entwicklung eines eigenständigen Profils ihres jeweiligen Mehrheitsbeschaffers und frustrierte und demobilisierte so systematisch deren Anhängerinnen und Anhänger.

Was spricht eigentlich dafür, dass es den Grünen und ihren Zielen bis 2024 besser erginge? Wieso eigentlich sollten sie in der Lage sein, ihre ökologischen und bürgerrechtlichen Ziele durchzusetzen, die der CDU ja sehr viel mehr abverlangen, als alle Ambitionen von SPD oder FDP? Moralisierende Beschwörungen guten Willens wie “Respekt, Vertrauen und Offenheit untereinander” (Präambel des Sondierungspapiers) ist weder zu trauen, noch sind sie geeignet, das Machtgefälle zugunsten der CDU auszugleichen. Andreas Vorrath hat die grünen Perspektiven in Sachsenkenia so zugespitzt: “Die CDU kaut die Grünen 5 Jahre durch und spuckt sie bei 3% wieder aus.” Wer anderes behauptet, hat nicht nur die historische Erfahrung gegen sich, sondern trägt die Beweislast für das Gegenteil.

3. Welche Erwartungen bestehen an Grüne?

Sachsens Ruf ist schlecht und entsprechend hoch die Erwartungen an die Grünen. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit erhofft sich von Kenia ein Bollwerk gegen rechtsaußen und die AfD. Grüne müssen erfolgreich dafür stehen, dass Sachsen noch nicht verloren ist, dass es noch Hoffnung auf eine allmähliche mentale Verwurzelung einer offenen westlich – demokratischen Gesellschaft gibt. Politisch nicht-rechte Kultur- und Demokratieinitiativen im schwarzblauen Einflussraum erwarten den Schutz der Landesregierung. Grüne sollen zudem jahrzehntelange CDU-Blockaden in vielen gesellschaftspolitischen Bereichen aufbrechen.

Die Wählerinnen und Wähler der Grünen erwarten vor allem strategische Erfolge beim Klimaschutz, dem Kohleausstieg und der Verkehrswende. Die Verhinderung der Abbaggerung weiterer Dörfer ist das Minimalziel. Grüne müssen für neues Vertrauen in die demokratische Zuverlässigkeit von Polizei, Justiz und “Verfassungsschutzes” sorgen. Seit Jahren von der CDU verteidigte Schranken für mehr Demokratie müssen fallen. Die Gemeinschaftsschulinitiativen wünschen sich eine praktische Ermöglichung dieses Schultyps. Die Großstädte brauchen eine stetige Förderung kommunalen Wohnungsbaus zu besseren Bedingungen.

Und schließlich sollten Grüne (anders als die SPD bisher) dafür sorgen, dass r2g-Bündnisse wie in Dresden nicht mehr unter dem Vorwand kommunaler Rechtsaufsicht politisch ausgebremst werden.

II. Anmerkungen zu wichtigen Sondierungsergebnissen

“Sondierungen” sind Koalitionsverhandlungen, die man nicht so nennen darf. Sie dienen der Beruhigung und Eingewöhnung einer widerwilligen Parteibasis. Im Sondierungspapier werden Chancen wie kommende Frustrationen schemenhaft erkennbar. Es bietet die letzte Gelegenheit innezuhalten und nachzudenken. Um das Ergebnis zuverlässig zu beurteilen, würde man jetzt gerne wissen, mit welchen konkreten Zielen die Grünen eigentlich in die Sondierung gegangen sind? Aber auch der Vergleich des Sondierungsergebnisses mit dem Wahlprogramm ist aufschlussreich: Großer Wortnebel – kaum harte Erfolge!

1. Klimaschutz und Kohleausstieg

Die Sondierer verständigen sich erfreulicherweise auf ein Ja zu den Pariser Klimaschutzzielen. Aber die alles überprägende zentrale Aussage des Sondierungspapier lautet: “Der Kohlekompromiss gilt.” Dies verspricht fatale Folgen für den Kohleausstieg wie den Ausbau der Erneuerbaren.

Zunächst: Was bedeutet das für die Tagebaue? Der geneigte Leser findet einen sorgfältig abgezirkelten Formelkompromiss, Zitat: “Für den Tagebau in der Lausitz sind sich die Parteien einig, dass keine Flächen in Anspruch genommen werden oder abgesiedelt werden, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt (!) werden. Die Parteien möchten (!) den Ort Pödelwitz erhalten und die Inanspruchnahme der Ortslage vermeiden. Es wird deshalb in Gesprächen mit den Bergbauunternehmen (!) nach einem rechtssicheren Weg gesucht (!!), der dies ermöglicht und zugleich (!) den Betrieb im Kraftwerk Lippendorf im Rahmen des Kohlekompromisses sicherstellt.”

Ob neue Tagebauflächen “benötigt” werden, hängt auch davon ab, was die Unternehmen für wirtschaftlich erforderlich halten. Mit der Verständigung auf eine gemeinsame “Suche” nach einem “rechtssicheren” Weg, verschaffen die Sondierungspartner den Tagebaubetreibern eine zeitliche und inhaltliche Vetoposition. Die ausgehandelte Wortschwade läßt so viele Hintertüren offen, dass die vermeintliche Festlegung der CDU auf den Erhalt von Pödelwitz keineswegs in Stein gemeißelt erscheint. Was glauben die grünen Verhandler eigentlich seriös mit einem Ministerpräsidenten vereinbaren zu können, der selbst das lahme Klimaschutzpaket der Bundesregierung für überstürzt hält?

Die sächsischen Grünen verzichten mit ihrer Unterschrift unter das Sondierungspapier auf einen eigenständigen und schnelleren Kohleausstiegsweg, den sie noch im Wahlprogramm versprochen hatten. Sie akzeptieren nicht nur das sehr späte “Ausstiegs”-Datum 2038, sondern auch den Verzicht auf konkrete Stillegungstermine für die anachronistischen sächsischen Treibhausgasschleudern. Offensichtlich hoffen sie darauf, dass die Bundesregierung diese Aufgabe übernehmen wird. Denn spätestens Mitte der 2020er Jahre müssen ostdeutsche Kohlekraftwerke vom Netz, um die Treibhausgas – Reduktionsziele zu erreichen. Schließlich hofft man auf den steigenden CO-2-Marktpreis, der Kohlestrom endgültig unwirtschaftlich machen würde. Man mag das für taktisch geschickt halten. Wer aber meint, dass in Zeiten der offensichtlichen Klimakrise Grüne in der Regierung eine aktive Rolle spielen sollten, wird enttäuscht sein.

2. Ausbau Erneuerbarer Energien

Das “Klimaschutzprogramm 2030” der Bundesregierung soll mit einer Neufassung des sächsischen Energie- und Klimaschutzprogramms umgesetzt werden. Die Bundesregierung sieht bis 2030 einen (zu niedrigen) Anteil von 65% EE – Strom vor. Sachsen, dessen Anteil bisher bei etwa 22% liegt, müsste diesen also in 10 Jahren verdreifachen, absolut wären das etwa 10.000 GWh mehr! Wie diese Aufgabe gemeistert werden soll, bleibt unklar. Im Sondierungspapier ist nur lesen, im EKP solle “ein (?!) Ausbauziel” für die Erneuerbaren festgelegt werden. Zudem sollen “in den kommenden fünf Jahren” die “planerischen und rechtlichen Voraussetzungen” (!) geschaffen werden, “dass der Freistaat nach (!) dem Ende der Braunkohle seinen Strombedarf bilanziell vollständig mit erneuerbaren Energien (inklusive der Speicher und Netze) decken kann”. Das Ziel 65% 2030 und 100% EE-Strom 2038 ist nur mit einer wesentlichen Erhöhung der Anzahl der Windenergieanlagen zu erreichen. Ob dieser Zubau durchgesetzt werden kann? Wirkt hier ein Kalkül Kretschmers: Den Grünen einen starken Ausbau der Windkraft versprechen, aber auf den Widerstand der schwarzblauen Regionen setzen? Eins ist klar: Die Partner könnten auch ohne realen EE-Zuwachs bis 2024 in Ruhe regieren, ohne diese Abmachung zu brechen!

3. Mobilität

Das Mobilitätskapitel liest sich verheißungsvoll. Mobilitätspolitik soll “klimafreundlich” an den Pariser Zielen ausgerichtet werden und zugleich “sozial” und “bezahlbar” sein. Die ÖV-Ausbauziele sind durchaus ehrgeizig. Künftig sollen 80% der Bevölkerung einen Anschluss an den ÖV haben (bisher 52%). Die ÖPNV-Kommission des Landtags hatte dafür 2017 einen Mehrbedarf von 400 Mio € pro Jahr (!) errechnet. Leider ist im Sondierungspapier nicht zu lesen, ob und wie diese Summe aufgebracht werden soll.

Weiter soll der Anteil des ÖV am Modal-Split bis 2030 verdoppelt werden. Dies dürfte eine Erhöhung des Anteils in den kreisfreien Städten von ca. 20 auf 30% und in den Ballungsräumen von 5 – 10% auf 10 bis 20% bedeuten. Mit der “Einführung des Sachsentakts, des Sachsentarifs, des Bildungstickets, des landesweit einheitlichen Bezahlsystems und eines Mindesterreichbarkeitsstandards” werden zentrale Instrumente genannt. Die Festlegungen von Grünen und SPD auf bestimmte Takte in den Wahlprogrammen erscheinen aber nicht. Das nicht finanzierbare und ordnungspolitisch verfehlte “365-€-Ticket” taucht zum Glück nicht auf. Leider ist aber auch nichts von einem landesweiten Sozialticket zu lesen.

Zum Straßenbau findet man den erfreulichen Satz „Erhalt vor Aus- und Neubau“. Die Sinnhaftigkeit von Neubaumaßnahmen soll nach “Maßgabe des geänderten Nutzerverhaltens und der Verlagerung von Verkehren auf die Schiene” überprüft werden. Zu begrüßen ist sowohl die Festlegung, bei “Neu- und Ausbau von Staatsstraßen künftig einen Radweg” mitzubauen, als auch das Versprechen “Planungs- und Genehmigungsprozesse durch den Aufgaben entsprechendes Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden” zu beschleunigen.

4. Sozialer Wohnungsbau und Mieterschutz

Die Sondierungspartner “wollen den sozialen Wohnungsbau qualitativ und quantitativ deutlich weiterentwickeln und kooperative, genossenschaftliche und gemeinwohlorientierte Modelle unterstützen.” Ob damit mehr gemeint ist, als die Weitergabe eines Teils der Fördermittel des Bundes wie bisher, ist unklar. Nichts zu lesen ist über eine Aufhebung der befristeten Mietpreisbindung für geförderten Wohnraum und der niedrigen Einkommensgrenzen. Den Kommunen sollen aber “temporäre Instrumente wie die Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen sowie Zweckentfremdungs- und Umnutzungsverbote” gestattet werden. Ist die CDU jetzt wirklich bereit, die Blockade dieser Instrumente aufzugeben?

5. Bildung und Gemeinschaftsschule

Die Formulierung zu den Gemeinschaftsschulen, auf die sich Grüne und SPD eingelassen haben, ist von ausgedrechselter Wertlosigkeit. Die Sondierungspartner halten “als gemeinsames Ziel” fest, “in möglichen Koalitionsverhandlungen einen Weg zu erarbeiten, wie das Anliegen (!) des Volksantrages zur Einführung von Gemeinschaftsschulen im leistungsfähigen sächsischen Schulsystem integriert werden kann.” Unverbindlicher gehts nicht! Behält die CDU wie zu erwarten das Schulministerium, sind hier weiterhin gar keine Fortschritte zu erwarten.

6. Polizei und “Verfassungsschutz”

Die Polizei nimmt für sich in Anspruch stets recht- und verhältnismäßig zu handeln. Allerdings sind in den letzten Jahren viele Bedienstete der Polizei, des “Verfassungschutzes” und der Justiz bekannt geworden, die aus Sympathie für Pegida oder AfD ihre Dienstpflichten verletzt haben. Dies dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Zentrale Aufgabe einer neuen Staatsregierung muss die Herstellung des Vertrauens in die demokratische Zuverlässigkeit aller Bediensteten in Polizei und Justiz sein. Die Sondierungspartner sprechen das Problem nicht offen an. Immerhin sind sie sich einig, dass “eine moderne Polizei demokratischen Werten, gesellschaftlicher Offenheit und Transparenz verpflichtet” ist. Dafür soll ein “entsprechendes Leitbild” entwickelt werden. Mindeststandards für die Präsenz der Polizei in der Fläche werden nicht angesprochen.

Für eine bürgerrechtliche Revision des Polizeigesetzes besteht keine Einigkeit. Der Formelkompromiss stellt das Mantra der CDU vor die grundrechtliche Selbstverständlichkeit: “Moderne Polizei benötigt ausreichende Befugnisse für die Aufgabenerfüllung, welche jedoch stets verhältnismäßig ausgestaltet und gut kontrolliert sein müssen.” Im Klartext hat man sich also auf gar nichts verständigt, so heißt es: “Unterschiedliche Ansichten bestehen über die Notwendigkeit einer Änderung des Polizeigesetzes hinsichtlich der Einführung einer Kennzeichnungspflicht, der Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung, Revision von Befugnissen und der weiteren Stärkung der Beschwerdestelle.” Es wird also keine Erhöhung der Eingriffsschwellen oder bessere Benachrichtigungs- und Auskunftspflichten zu geheimen polizeilichen Eingriffen geben. Die CDU stimmt nicht einmal der Minimalforderung einer Kennzeichnungspflicht zu, die die Keniakoaliton in Sachsen-Anhalt eingeführt und das Brandenburgische Verfassungsgericht gerade erst eindeutig bestätigt hatte. Eine klare grüne Niederlage!

Auch bezüglich des “Verfassungsschutzes” wird Uneinigkeit festgestellt: “Wir haben unterschiedliche Ansichten über die Struktur des Verfassungsschutzes, sind uns jedoch einig, Kontrollmöglichkeiten des Parlaments und Transparenz zu stärken.” Es war klar, das eine “Abschaffung” wie im grünen Wahlprogramm gefordert, mit CDU und SPD nicht zu machen ist. Leider werden die entscheidenden Ansatzpunkte einer Auflösung des Deutungsmonopols des Landesamts über “verfassungsfeindliche Bestrebungen” und der Datenzulieferungsvorrang gegenüber der Polizei nicht angesprochen.

7. Demokratie

Bei der Volksgesetzgebung hat die CDU weder das von MP Kretschmer propagierte nachträgliche Referendum noch die Grünen eine Absenkung der Quoren durchgesetzt. Erfreulicherweise wollen die Sondierungspartner den Kommunen aber “ermöglichen, ihren Einwohnerinnen und Einwohnern umfassendere Beteiligungsmöglichkeiten zu geben”. Hoffentlich wird damit die Blockadehaltung des Innenministeriums gegen Bürgerbeteiligungssatzungen beendet. Um so mehr schmerzt, dass die bei der letzten Reform der Gemeindeordnung eingeführte Ungleichbehandlung der Einwohnerinnen und Einwohner der kreisfreien Städte bei der Einführung der Ortschaftsverfassung offenbar erhalten bleiben soll.

8. Naturschutz

Liest man die Aussagen des Sondierungspapier zum Naturschutz, fragt man sich, ob Grüne dort überhaupt etwas gefordert haben. Der Politsprech “Wir verstärken Maßnahmen gegen Artensterben und Lebensraumverlust. Die Qualität und Struktur des Systems der Schutzgebiete entwickeln wir weiter” ist an nichtssagender Allgemeinheit nicht zu überbieten. Offensichtlich hat die CDU den Grünen diese Zähne bereits gezogen: Erweiterung des Biosphärenreservats Elbe nach Sachsen, Anstrengungen für einen wirksamen Biotopverbund, mehr Prozessschutzflächen im Wald oder die Wiederzulassung kommunalen Baumschutzes und des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts. Im Gegenteil: Offensichtlich ist nicht einmal die erleichterte Tötung von Wölfen vom Tisch!

III. Ein Papier zu CDU-Bedingungen

Unter den Weihrauchschwaden ökologischer Beteuerungen erscheinen die Konturen eines Sondierungspapier zu den Bedingungen der CDU. Welche echten Zugeständnisse hat die CDU eigentlich gemacht? Die Lücken bei den Bürgerrechten oder im Naturschutz sind erschreckend. Können die Grünen in Koalitionsverhandlungen mehr erreichen? Vor allem möchte man mehr zur Durchsetzung der EE-Ziele in den Regionalplänen und zum Mitteleinsatz für den ÖV-Ausbau lesen. Das Baumabgesetz muss fallen, Schutzgebiete müssen erweitert und verbindliche Ziele für den Biotopverbund und den Prozessschutz festgesetzt werden. Selbst wenn die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte käme, bliebe die nötige bürgerrechtliche Revision des Polizeigesetzes aus.

Erste Voraussetzung für erfolgreichere Koalitionsverhandlungen wären entsprechende Beschlüsse des Parteitags. Leider besteht hier wenig Hoffnung. Schwerer wiegt, das sich die Grünen selbst in eine schwache Position manövriert haben. Angesichts ihrer staatspolitischen Pflicht, eine Machtbeteiligung der AfD zu verhindern, wird es schwerfallen der Öffentlichkeit zu erklären, wieso sie an dieser oder jener Frage eine Koalition scheitern lässt. Hier und jetzt rächt sich, dass grüne Wahlkampfführung jede Zuspitzung gegen die CDU verweigerte. Wer verlernt hat, in politischen Machtalternativen zu denken, der kann sich am Ende nur der stärksten Partei anverwandeln.

Was jetzt zu besichtigen ist!

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